#7 Urban Libertines Salon — Herbstsonnenwende — 20.09.2014

Der #7 Urban Libertines Salon zur Herbstsonnenwende — “Yogis Unite!”, ein ganzheitlicher Yoga- und Meditations-Workshop für Männer und Frauen. Dieses Mal mit Steph Jaksch, Nicole Rudschinat, Tina Lobe, Mari Nil, sowie musikalischer Unterstützung von Ilhem und 45 teilnehmenden Yogis. Inklusive Cacao-Shot von Cacao Mama zur Begrüßung und veganer Suppe von Suppe & Salat zur Stärkung danach. Der Workshop fand in den privaten Tanzproberäumen von Sasha Waltz im 5.Stock des Radialsystem an der Spree statt.

Text von Till Schröder —

Man ken­nt lit­er­arische oder Kul­tur­sa­lons. Aber die sind ver­gle­ich­sweise kon­ven­tionell im Ver­gle­ich zu den Salon­for­mat­en, die Yas­mine Orth entwick­elt. „Yogis Unite!“ aus der Rei­he ihres „Urban Lib­ertines Salon“ fand dieses Mal im Prober­aum von Sasha Waltz im Berlin­er Radi­al­sys­tem statt. Und das fol­gende passierte.

Am Tag danach glimmt noch diese Wärme im Bauch. Das Herz sprüht. Der Kopf ist aufgeräumt. Etwas kam gestern in Bewe­gung, und etwas anderes zur Ruhe. Die Berlin­er Salon­dame Yas­mine Orth hat­te Yogis zum siebten „Urban Lib­ertines Salon“ zusam­men gerufen, um die Herb­st­son­nwende zu bege­hen.

Knapp 40 waren gekom­men, die meis­ten sind Frauen. Sie saßen zu Anfang in einem großen Runde in diesem wun­der­baren Prober­aum im Radi­al­sys­tem, wo Chore­o­graphin Sasha Waltz ihre Stücke erar­beit­et, auf der Fen­ster­seite neben der Gast­ge­berin vier der besten Lehrerin­nen der Stadt, sowie die „Cacao-Mama“ Ser­ap Kara und die Soul­sän­gerin Ilhem Khod­ja. In den schräg gestell­ten Lamellen der Glas­fas­sade hin­ter ihnen spiegel­ten sich die Wellen der Spree, der Him­mel über Berlin war – passend zum The­ma – herb­stlich grau.

Die Vor­freude auf den bevorste­hen­den Work­shop lag zum Greifen in der Luft. Wir hat­ten uns vorher eine Stunde Zeit genom­men, anzukom­men, einen Platz auszusuchen, eine Tasse Tee zu trinken und mit allen, die man kan­nte, ein Schwätzchen zu hal­ten. Und es kan­nten sich einige, über Yoga oder gemein­same Pro­jek­te, fie­len sich zur Begrüßung um den Hals. Viel Pow­er brin­gen die Per­sön­lichkeit­en des Goer­lz­club in den Raum, den Yas­mine vor zehn Jahren gegrün­det hat. Mit den Begrüßungsworten der Salon­dame ord­nete sich die Energie. Sie sollte sich während der fol­gen­den drei Stun­den bis zu der Inten­sität steigern, die wir bei solch außergewöhn­lichen Tre­f­fen suchen.

Yoga in sein­er Vielfalt, Natur und Gemein­schaft tra­gen die Idee von Yas­mines Urban Lib­ertines Salon. Es sei kein Zufall, erk­lärt sie, dass die Salons zum Zeit­punkt der Son­nen­wen­den stat­tfind­en, dass Rit­uale wie das Fre­und­schafts­bänd­chen am Ein­gang und das gemein­same Essen nach der Prax­is regelmäßiger Teil der Ver­anstal­tung seien.

Auch der Kakao vor der Asanaprax­is passt in dieses Konzept. „Herzblut“ nan­nten die Azteken und Mayas ihr heiliges Getränk aus dieser Frucht, es sei ein „spir­itueller Herzöffn­er“, erk­lärt Ser­ap. Roher Kakao enthält eine unge­heure Kraft. Wis­senschaftlich erk­lärt man sich das mit den enthal­te­nen Hor­mo­nen und Stim­u­lanzien, die im indus­triell ver­ar­beit­eten Kakao weit­ge­hend ver­loren gehen. Der Kakao allerd­ings, den uns Ser­ap in einem Bech­er auss­chenk­te, hat­te Charak­ter. Sie lud uns ein, ihn auf zer­e­monielle Art zu trinken und das Trinken mit ein­er per­sön­lichen Inten­tion zu verbinden, so wie man das auch vor ein­er Yogak­lasse macht. Die Verbindung mit dem Herzen bot sich an. Das Getränk lag herzhaft, fast dick­flüs­sig und über­haupt nicht süßlich auf der Zunge. Es war  schmack­haft und sinnlich, kein Rauschmit­tel, aber etwas sehr, sehr Echt­es.

Vom Geschmacksinn zum Ohr, und wieder zum Herzen: Ilhem übern­immt und singt ein Lied, dass sie von ein­er Perureise mit­ge­bracht hat, von einem Kon­ti­nent, der auch ihre spir­ituelle Reise stark bee­in­flusst habe, wie sie erk­lärt. Ihre Stimme ist voll und rau, die Stille der Zuhör­er vol­lkom­men. Gänse­haut, Heiligkeit, die bei kün­st­lerisch­er Aufrichtigkeit entste­hen kann, schwingt in dem pri­vat­en Prober­aum von Berlins bekan­ntester Chore­o­graphin mit. Nach dem Lied stimmt Ilhem das Tara-Mantra an und ermutigt uns, mitzusin­gen. Tara, tibetis­che Göt­tin des Mit­ge­fühls, schützt vor den acht Lebens­ge­fahren: Stolz, Zorn, irrige Ansicht­en, Begierde, Verblendung, Eifer­sucht, Geiz und Zweifel. Wir klin­gen wie ein großer Res­o­nanzkör­p­er zu Ilhems kraftvollem Gesang.

Der Raum ist bere­it­et für die Asana-Prax­is. Es gibt wohl kein markan­teres Bild für den Herb­st, als ein fal­l­en­des Blatt, die Bewe­gung dieser Jahreszeit führt zur Erde, Rück­zug, Vor­bere­itung für eine spir­ituell bris­tante Zeit im Jahr. Jiva­muk­ti-Lehrerin Steph Jaksch, erin­nert uns daran, dass im Herb­st geern­tet wird, im Herb­st sei aber auch Hal­loween … Yas­mine hat die Lehrerin­nen und deren Team-Teach­ing in die vier Ele­mente aufgeteilt. Steph the­ma­tisiert das Wass­er. In ihrer cool sou­verä­nen Art führt sie uns durch eine fließende, fast chore­o­graphis­che Prax­is. Die Asanas wech­seln im Takt der Atemzüge, dazu läuft – ganz im Stil der New York­er Schule – Pop und Soul, heit­ere Musik, zu der man auch tanzen kön­nte. Steph ent­facht die Wärme, die im zweit­en Vier­tel durch Vinyasa-Lehrerin Nicole Rud­schi­nat zu Feuer wird. Die Y4All-Grün­derin macht ihrem Ruf als eher kör­per­lich fordernde Yogi­ni alle Ehre. Die Dynamik steigt, unser Spiel­trieb mit dem Kör­p­er wird anges­tachelt. Und doch drück­en wir in vie­len Umkehrhal­tun­gen – Hand­stand, Unter­arm­stand, Kopf­s­tand – mit Hän­den fest die Erde. Herb­st ist Erdung. Wer eine der Hal­tun­gen nicht mit­machen will, den erin­nert Nicole an „yogis choice“: unsere yogis­che Weisheit, Übun­gen, die uns nicht gut tun, sein zu lassen. Aber etwas trägt uns über unsere Gren­zen: Über­raschung und Freude über den eige­nen Mut auf den Mat­ten um mich herum.

Die Erde verkör­pert Anusara-Lehrerin Tina Lobe, Mit­grün­derin von Yoga­tribe. Sie fängt die Vinyasas auf, jongliert die Klasse mit ihrem lachen­den Wesen weit­er. Die Zeilen „… from unre­al to real, from dark­ness to light …“ fall­en mir im Sound­track auf und nis­ten sich wie ein Mantra ein. Dann entschle­u­nigt Tina die Prax­is in einem gekon­nten Cooldown mit länger gehal­te­nen Hüftöffn­ern und Drehun­gen, bis wir schließlich im Shavasana ganz loslassen dür­fen. Stille.

04  05

Wohltuende Stille. Es fehlt noch das Ele­ment Luft. Dann spricht die spir­ituelle Lehrerin Mari Nil. So leise, und doch so erstaunlich gut hör­bar. Ich höre einen Hauch, so wie wenn Wind durch Tan­nen, Ficht­en und Kiefern stre­icht. Er erin­nert mich an die Heimat mein­er Kind­heit. Das Echte, das Herz, die Erde, die Heimat in mir, dor­thin führte mich diese Reise. Mari lädt uns zu ein­er Kun­dali­ni-Med­i­ta­tion ein. Ich set­ze mich auf in einen Schnei­der­sitz. Kun­dali­ni ist die Kraft, die in unserem Beck­en­bo­den ruht. Durch die Übung steigt sie den Kanal Sushum­na ent­lang der Chakren empor, bis sie schließlich im Schei­t­el-Chakra „das Göt­tliche küsst“, wie Mari sagt.

Ihre Sprache ist bil­dre­ich, sie spricht von Lichtern, Far­ben, „Devas und Yogis“, die unsere Kanäle für die Kun­dali­ni reini­gen. Doch ich sehe diese Bilder nicht. Nicht weil meine Augen geschlossen sind, son­dern weil mir offen­bar die Ver­an­la­gung dazu fehlt. Ich füh­le mich wie ein Blind­er im Kino. Doch die Atmo­sphäre lädt ein, sich darauf einzu­lassen. „Nek­tar träuft bei jedem Teil­nehmer aus dem Gau­men­blatt“, sagt Mari. Ich weiß, dass es das gibt. Ich habe es gele­sen, aber ich schmecke es nicht. „…from unre­al to real…“

06  07

Plöt­zlich wird mein Bauch warm, der Brustko­rb glüht. Ich denke, unglaublich! und öffne einen Spalt weit die Augen. In den Lamellen der Glas­fas­sade funkelt das Glitzern auf den Spreewellen. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Wun­der­schön! Mari ste­ht im Gegen­licht, ruhig. Sie strahlt Sicher­heit aus in dem, was sie tut. Du siehst keine Devas und Yogis, die deinen Sushum­na reini­gen? Das ist vol­lkom­men ok. „Es geschieht“, sagt sie.

Zum Abschluss führt uns Ilhem durch drei lange Oms. Dann schaue ich mich um und sehe, wie indi­vidu­ell, wie per­sön­lich spir­ituelle Erfahrun­gen sind. Eine Frage der Ver­an­la­gung, der aktuellen Ver­fas­sung, eine Frage von Tal­ent. Viele Gesichter strahlen still, zufrieden und dankbar, bei manch anderen dage­gen scheinen auch Dämme gebrochen zu sein. Sie wirken glück­lich erschüt­tert. Mari nimmt Schü­lerin­nen in den Arm, hält sie, betreut sie. Sonne taucht den Raum in gold­enes Licht und hüllt das, was dort zum Vorschein kam, in Wärme. Wir stärken uns an Salat und veg­an­er Suppe von „Suppe & Salat“. Es braucht diesen behut­samen Über­gang zurück in den All­t­ag. Mari sagt, während der näch­sten Tage werde das Licht in uns noch weit­er­leucht­en. Ich kann es fühlen: warm, sprühend, aufgeräumt und ver­bun­den mit anderen Yogis, wie eine Zelle in einem großen Organ­is­mus.

Diesem Tag lag ein besonderer Zauber inne, getragen von Schönheit, Kraft, Sinnlichkeit und Licht. Für mich war es ein magischer Moment, dieses Ritual zur Tag-Nachtgleiche mit Cacao zu eröffnen. Danke Yasmine für den lichtvollen Raum und die schönen Begegnungen an diesem Nachmittag!”

— Ser­ap Kara


Cre­ative Con­nec­tors bedankt sich her­zlich bei unseren Part­nern, die uns für dieses Event unter­stützt haben: Cacao Mama, Suppe & Salat, Hari Tea, Voes­lauer und das Radi­al­sys­tem!

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Text: Till Schröder / Fotografie: Katharina Krug