Der #7 Urban Libertines Salon zur Herbstsonnenwende — “Yogis Unite!”, ein ganzheitlicher Yoga- und Meditations-Workshop für Männer und Frauen. Dieses Mal mit Steph Jaksch, Nicole Rudschinat, Tina Lobe, Mari Nil, sowie musikalischer Unterstützung von Ilhem und 45 teilnehmenden Yogis. Inklusive Cacao-Shot von Cacao Mama zur Begrüßung und veganer Suppe von Suppe & Salat zur Stärkung danach. Der Workshop fand in den privaten Tanzproberäumen von Sasha Waltz im 5.Stock des Radialsystem an der Spree statt.
Text von Till Schröder —
Man kennt literarische oder Kultursalons. Aber die sind vergleichsweise konventionell im Vergleich zu den Salonformaten, die Yasmine Orth entwickelt. „Yogis Unite!“ aus der Reihe ihres „Urban Libertines Salon“ fand dieses Mal im Proberaum von Sasha Waltz im Berliner Radialsystem statt. Und das folgende passierte.
Am Tag danach glimmt noch diese Wärme im Bauch. Das Herz sprüht. Der Kopf ist aufgeräumt. Etwas kam gestern in Bewegung, und etwas anderes zur Ruhe. Die Berliner Salondame Yasmine Orth hatte Yogis zum siebten „Urban Libertines Salon“ zusammen gerufen, um die Herbstsonnwende zu begehen.
Knapp 40 waren gekommen, die meisten sind Frauen. Sie saßen zu Anfang in einem großen Runde in diesem wunderbaren Proberaum im Radialsystem, wo Choreographin Sasha Waltz ihre Stücke erarbeitet, auf der Fensterseite neben der Gastgeberin vier der besten Lehrerinnen der Stadt, sowie die „Cacao-Mama“ Serap Kara und die Soulsängerin Ilhem Khodja. In den schräg gestellten Lamellen der Glasfassade hinter ihnen spiegelten sich die Wellen der Spree, der Himmel über Berlin war – passend zum Thema – herbstlich grau.
Die Vorfreude auf den bevorstehenden Workshop lag zum Greifen in der Luft. Wir hatten uns vorher eine Stunde Zeit genommen, anzukommen, einen Platz auszusuchen, eine Tasse Tee zu trinken und mit allen, die man kannte, ein Schwätzchen zu halten. Und es kannten sich einige, über Yoga oder gemeinsame Projekte, fielen sich zur Begrüßung um den Hals. Viel Power bringen die Persönlichkeiten des Goerlzclub in den Raum, den Yasmine vor zehn Jahren gegründet hat. Mit den Begrüßungsworten der Salondame ordnete sich die Energie. Sie sollte sich während der folgenden drei Stunden bis zu der Intensität steigern, die wir bei solch außergewöhnlichen Treffen suchen.
Yoga in seiner Vielfalt, Natur und Gemeinschaft tragen die Idee von Yasmines Urban Libertines Salon. Es sei kein Zufall, erklärt sie, dass die Salons zum Zeitpunkt der Sonnenwenden stattfinden, dass Rituale wie das Freundschaftsbändchen am Eingang und das gemeinsame Essen nach der Praxis regelmäßiger Teil der Veranstaltung seien.
Auch der Kakao vor der Asanapraxis passt in dieses Konzept. „Herzblut“ nannten die Azteken und Mayas ihr heiliges Getränk aus dieser Frucht, es sei ein „spiritueller Herzöffner“, erklärt Serap. Roher Kakao enthält eine ungeheure Kraft. Wissenschaftlich erklärt man sich das mit den enthaltenen Hormonen und Stimulanzien, die im industriell verarbeiteten Kakao weitgehend verloren gehen. Der Kakao allerdings, den uns Serap in einem Becher ausschenkte, hatte Charakter. Sie lud uns ein, ihn auf zeremonielle Art zu trinken und das Trinken mit einer persönlichen Intention zu verbinden, so wie man das auch vor einer Yogaklasse macht. Die Verbindung mit dem Herzen bot sich an. Das Getränk lag herzhaft, fast dickflüssig und überhaupt nicht süßlich auf der Zunge. Es war schmackhaft und sinnlich, kein Rauschmittel, aber etwas sehr, sehr Echtes.
Vom Geschmacksinn zum Ohr, und wieder zum Herzen: Ilhem übernimmt und singt ein Lied, dass sie von einer Perureise mitgebracht hat, von einem Kontinent, der auch ihre spirituelle Reise stark beeinflusst habe, wie sie erklärt. Ihre Stimme ist voll und rau, die Stille der Zuhörer vollkommen. Gänsehaut, Heiligkeit, die bei künstlerischer Aufrichtigkeit entstehen kann, schwingt in dem privaten Proberaum von Berlins bekanntester Choreographin mit. Nach dem Lied stimmt Ilhem das Tara-Mantra an und ermutigt uns, mitzusingen. Tara, tibetische Göttin des Mitgefühls, schützt vor den acht Lebensgefahren: Stolz, Zorn, irrige Ansichten, Begierde, Verblendung, Eifersucht, Geiz und Zweifel. Wir klingen wie ein großer Resonanzkörper zu Ilhems kraftvollem Gesang.
Der Raum ist bereitet für die Asana-Praxis. Es gibt wohl kein markanteres Bild für den Herbst, als ein fallendes Blatt, die Bewegung dieser Jahreszeit führt zur Erde, Rückzug, Vorbereitung für eine spirituell bristante Zeit im Jahr. Jivamukti-Lehrerin Steph Jaksch, erinnert uns daran, dass im Herbst geerntet wird, im Herbst sei aber auch Halloween … Yasmine hat die Lehrerinnen und deren Team-Teaching in die vier Elemente aufgeteilt. Steph thematisiert das Wasser. In ihrer cool souveränen Art führt sie uns durch eine fließende, fast choreographische Praxis. Die Asanas wechseln im Takt der Atemzüge, dazu läuft – ganz im Stil der New Yorker Schule – Pop und Soul, heitere Musik, zu der man auch tanzen könnte. Steph entfacht die Wärme, die im zweiten Viertel durch Vinyasa-Lehrerin Nicole Rudschinat zu Feuer wird. Die Y4All-Gründerin macht ihrem Ruf als eher körperlich fordernde Yogini alle Ehre. Die Dynamik steigt, unser Spieltrieb mit dem Körper wird angestachelt. Und doch drücken wir in vielen Umkehrhaltungen – Handstand, Unterarmstand, Kopfstand – mit Händen fest die Erde. Herbst ist Erdung. Wer eine der Haltungen nicht mitmachen will, den erinnert Nicole an „yogis choice“: unsere yogische Weisheit, Übungen, die uns nicht gut tun, sein zu lassen. Aber etwas trägt uns über unsere Grenzen: Überraschung und Freude über den eigenen Mut auf den Matten um mich herum.
Die Erde verkörpert Anusara-Lehrerin Tina Lobe, Mitgründerin von Yogatribe. Sie fängt die Vinyasas auf, jongliert die Klasse mit ihrem lachenden Wesen weiter. Die Zeilen „… from unreal to real, from darkness to light …“ fallen mir im Soundtrack auf und nisten sich wie ein Mantra ein. Dann entschleunigt Tina die Praxis in einem gekonnten Cooldown mit länger gehaltenen Hüftöffnern und Drehungen, bis wir schließlich im Shavasana ganz loslassen dürfen. Stille.
Wohltuende Stille. Es fehlt noch das Element Luft. Dann spricht die spirituelle Lehrerin Mari Nil. So leise, und doch so erstaunlich gut hörbar. Ich höre einen Hauch, so wie wenn Wind durch Tannen, Fichten und Kiefern streicht. Er erinnert mich an die Heimat meiner Kindheit. Das Echte, das Herz, die Erde, die Heimat in mir, dorthin führte mich diese Reise. Mari lädt uns zu einer Kundalini-Meditation ein. Ich setze mich auf in einen Schneidersitz. Kundalini ist die Kraft, die in unserem Beckenboden ruht. Durch die Übung steigt sie den Kanal Sushumna entlang der Chakren empor, bis sie schließlich im Scheitel-Chakra „das Göttliche küsst“, wie Mari sagt.
Ihre Sprache ist bildreich, sie spricht von Lichtern, Farben, „Devas und Yogis“, die unsere Kanäle für die Kundalini reinigen. Doch ich sehe diese Bilder nicht. Nicht weil meine Augen geschlossen sind, sondern weil mir offenbar die Veranlagung dazu fehlt. Ich fühle mich wie ein Blinder im Kino. Doch die Atmosphäre lädt ein, sich darauf einzulassen. „Nektar träuft bei jedem Teilnehmer aus dem Gaumenblatt“, sagt Mari. Ich weiß, dass es das gibt. Ich habe es gelesen, aber ich schmecke es nicht. „…from unreal to real…“
Plötzlich wird mein Bauch warm, der Brustkorb glüht. Ich denke, unglaublich! und öffne einen Spalt weit die Augen. In den Lamellen der Glasfassade funkelt das Glitzern auf den Spreewellen. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Wunderschön! Mari steht im Gegenlicht, ruhig. Sie strahlt Sicherheit aus in dem, was sie tut. Du siehst keine Devas und Yogis, die deinen Sushumna reinigen? Das ist vollkommen ok. „Es geschieht“, sagt sie.
Zum Abschluss führt uns Ilhem durch drei lange Oms. Dann schaue ich mich um und sehe, wie individuell, wie persönlich spirituelle Erfahrungen sind. Eine Frage der Veranlagung, der aktuellen Verfassung, eine Frage von Talent. Viele Gesichter strahlen still, zufrieden und dankbar, bei manch anderen dagegen scheinen auch Dämme gebrochen zu sein. Sie wirken glücklich erschüttert. Mari nimmt Schülerinnen in den Arm, hält sie, betreut sie. Sonne taucht den Raum in goldenes Licht und hüllt das, was dort zum Vorschein kam, in Wärme. Wir stärken uns an Salat und veganer Suppe von „Suppe & Salat“. Es braucht diesen behutsamen Übergang zurück in den Alltag. Mari sagt, während der nächsten Tage werde das Licht in uns noch weiterleuchten. Ich kann es fühlen: warm, sprühend, aufgeräumt und verbunden mit anderen Yogis, wie eine Zelle in einem großen Organismus.
„Diesem Tag lag ein besonderer Zauber inne, getragen von Schönheit, Kraft, Sinnlichkeit und Licht. Für mich war es ein magischer Moment, dieses Ritual zur Tag-Nachtgleiche mit Cacao zu eröffnen. Danke Yasmine für den lichtvollen Raum und die schönen Begegnungen an diesem Nachmittag!”
— Serap Kara
Creative Connectors bedankt sich herzlich bei unseren Partnern, die uns für dieses Event unterstützt haben: Cacao Mama, Suppe & Salat, Hari Tea, Voeslauer und das Radialsystem!
Facebook Event
Newsletter Subscribtion
Text: Till Schröder / Fotografie: Katharina Krug